Naturbasierte Lösungen als lokales Klimaschutzinstrument

Naturbasierte Lösungen sind ein neues Konzept im kommunalen Klimaschutz. Das Klima-Bündnis ist gemeinsam mit Glasgow (Schottland) Teil des EU-geförderten Connecting Nature Projekts, das mit Hilfe von naturbasierten Lösungen die Resilienz in Kommunen stärken möchte. Glasgow ist auch Gastgeber des anstehenden Connecting Nature Innovationsgipfels. Das virtuelle Event rückt die Frage in den Fokus, wie Städte mit naturbasierten Lösungen nachhaltiger und grüner gestaltet werden und einen Mehrwert für ihre Bürger*innen bieten können. Gemeinsam mit Gillian Dick und Sean Kelly vom Stadtrat Glasgow sprechen wir über dieses neue Konzept, erste Erfolge, Herausforderungen und Zukunftspläne.

In Anlehnung an die Definition der EU Kommission sind naturbasierte Lösungen inspiriert und unterstützt von der Natur, kosteneffektiv und bieten Vorteile für ökologische, soziale sowie wirtschaftliche Aspekte. Die Stadt Glasgow verfolgt eine Freiraumstrategie. Die Glasgow Open Space Strategy kombiniert einen orts-bezogenen Ansatz mit einem Fokus auf naturbasierte Lösungen. Auf diese Weise möchte der Stadtrat qualitativ hochwertige, einfach zugängliche und multifunktionale Freiräume schaffen, die den Anforderungen, wie Gemeinschaftsflächen, Lebensraumvernetzungen oder Wassermanagement, gerecht werden.

Naturbasierte Lösungen sind ein sehr neues Konzept. Daher legt Glasgow großen Wert auf die richtige Sprache in der Kommunikation mit den unterschiedlichen Zielgruppen. Gillian Dick erläutert: „Ich versuche Begriffe, wie grüner Wiederaufbau, grüne Infrastruktur etc. zu vermeiden. Diese Sprache neigt  dazu, die Maßnahmen zu isolieren, anstatt zu betonen, dass sie alle an einem Ort stattfinden“. Sean Kelly ergänzt: „Klare und zielgruppengerechte Botschaften über greifbare naturbasierte technische Lösungen und ihre Vorteile sind eine Möglichkeit, das Sprachproblem zu überwinden. Dies trägt auch dazu bei, den Bekanntheitsgrad des Konzepts zu erhöhen und ein stärkeres Argument für die Bereitstellung von Ressourcen zu liefern“. Naturbasierte Lösungen sind essenziell für die Freiraumstrategie von Glasgow, da sie dabei helfen, gesellschaftliche, gesundheitliche und ökologische Probleme anzugehen.

Gesellschaftliche Aspekte
Die Stadt versucht, soziale Ungleichheiten zu verringern, indem sie die schwieriger zu erreichenden sozialen Gruppen in die Umsetzung ihrer Freiraumstrategie einbezieht. Ein Beispiel dafür sind die Gemeinden westlich des Pollock Country Park. Gemeinsam mit dem Centre for Civic Innovation, einer Beratungsagentur für die Kommunikation mit Gemeinden, initiiert der Stadtrat Gespräche mit den Gemeinden über ihre Verbindung zum Pollock Country Park.

Lokale Lebensmittel
Der Anbau und die Produktion von lokalen Lebensmitteln stehen in Glasgow ganz oben auf der Agenda. Sie können zum Aufbau von Gemeinschaftskapazitäten und damit zu einer gesünderen Ernährung führen. Der Bellahouston Growing Space, ein Gemeinschaftsgartenprojekt, hat dazu beigetragen, die Kriminalitätsrate in der Gegend zu senken, gegenseitige Unterstützung zu ermöglichen und das Selbstvertrauen der Teilnehmer*innen zu stärken. Die Stadt nutzt derzeit das Business Model Canvas für naturbasierte Lösungen, um Wege zu finden, sich in die Kreislaufwirtschaft einzubringen und damit das Projekt selbsttragend zu gestalten.

Leerstehende und brachliegende Flächen
Glasgow hat in den letzten Jahren ein Projekt für Brachflächen umgesetzt, das den Gemeinden die Möglichkeit gab, diese Flächen zu nutzen. Eine kürzlich durchgeführte Prüfung hat jedoch gezeigt, dass die Stadt den Gemeinden nur begrenzte Unterstützung bei der Aufrechterhaltung ihrer Aktivitäten gegeben hat. Die Stadt nutzt nun das Rahmenwerk für naturbasierte Lösungen, um das Projekt zu überprüfen.

Umwelt
Da Glasgow eine regenreiche Stadt ist, sind Projekte für Wassermanagement und naturbasierte Lösungen unerlässlich. Die Stadt arbeitet an einem strategischen Entwässerungssystem und identifiziert derzeit Freiflächen, die auf vielfältige Weise genutzt werden können, z.B. als Hochwasserentlastungsgebiete. 

Artenvielfalt
Um den Verlust von Biodiversität zu vermeiden, zielt die Freiraumstrategie der Stadt auch darauf ab, Lebensraumvernetzungen zu erhalten und neue zu erschaffen. Als Teil der städtischen Arbeit wurden die Möglichkeiten identifiziert und relevante Daten gesammelt. Diese werden derzeit in einem Dashboad visualisiert. Glasgow kann diese Daten, zu denen auch Bienenlinien gehören, nutzen, um Bereiche zu identifizieren, in denen Bestäuber von einer Verbesserung der Lebensräume profitieren könnten.

Das Konzept der naturbasierten Lösungen bringt zahlreiche Vorteile aber auch Herausforderungen mit sich. Sean Kelly erklärt: „Eine der größten Hürden ist sicherlich die Beschaffung von Ressourcen. Es gibt keinen klaren Return on Investment und es ist schwierig, den Nutzen von naturbasierten Lösungen zu quantifizieren. Außerdem braucht man mehr Personal und operative Mittel für Projekte.“ Im Rahmen des Connecting Nature Projekts wurden mehrere Leitfäden entwickelt, die Praktiker*innen anleiten und dabei unterstützen, mögliche Herausforderungen zu bewältigen. Da das Konzept der naturbasierten Lösungen noch nicht allzu bekannt ist, liegt eine weitere Herausforderung in der Kommunikation. Sean Kelly hält fest, dass die Schlüsselbotschaft darin besteht, die Vorteile hervorzuheben, z.B. die Kosteneffizienz von naturbasierten Lösungen. Eine weitere von Gillian Dick identifizierte Hürde besteht im fehlenden Zugang zu den richtigen Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dieses Problem kann zu Doppelarbeit und Ineffizienzen führen. Die größte Herausforderung für Glasgow liegt darin, Daten für alle zugänglich zu machen, idealerweise auf Basis digitaler Karten. Die Zusammenarbeit mit verschiedenen Partner*innen kann aber helfen, das Eigentum und auch die Verantwortung für Daten zu teilen.

Durch die Teilnahme am Projekt Connecting Nature erlebt Glasgow eine Veränderung – eine Veränderung der Kultur und eine Veränderung der Politikgestaltung. „Die Erkenntnisse aus dem Projekt fließen in die Diskussion über die nächste Iteration der nationalen Planungspolitik in Schottland ein und haben den entstehenden Umsetzungsplan für den Klimanotstand in Glasgow beeinflusst“, kommentiert Gillian Dick. Darüber hinaus ermöglichte der ganzheitliche Ansatz, den das Konzept der naturbasierten Lösungen erfordert, Teams und Organisationen zusammenzubringen, die normalerweise nicht miteinander arbeiten. Es hat auch dazu geführt, auf eine Neujustierung des Entscheidungsprozesses hinzuarbeiten. Das bedeutet, dass alle Faktoren – ökologische, wirtschaftliche und soziale –berücksichtigt werden, anstatt nur einer.

Glasgow wird seinen Ansatz für naturbasierte Lösungen weiter ausbauen und hat bereits Pläne für die Zukunft. „Wir untersuchen derzeit die Möglichkeit, naturbasierte Unternehmen bei der Umsetzung einiger Aspekte der Freiraumstrategie einzubinden, zum Beispiel bei der Betreuung von Freiflächen. Dies wird hoffentlich in einem Pilotprogramm für naturbasierte Unternehmen münden”, erklärt Gillian Dick. Der Connceting Nature Innovationsgipfel, der gemeinsam von der Stadt Glasgow und Greenspace Scotland veranstaltet und vom Klima-Bündnis unterstützt wird, steht ebenfalls vor der Tür. Die virtuelle dreitägige Veranstaltung wird erste Erkenntnisse der am Connecting Nature Projekt beteiligten Städte teilen und innovative Instrumente und Methoden vorstellen. Vom 23. – 25. März lädt die Veranstaltung Kommunen und weitere Interessenvertreter*innen ein, gemeinsam naturbasierte Lösungen, die Vorteil und Herausforderungen zu diskutieren. Die Registrierung ist ab sofort geöffnet. 

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