Chancen ergreifen: Resilienter Wiederaufbau im Ahrtal

Die Verbandsgemeinde Altenahr geht mit kreativen Lösungen und motivierenden Austauschformaten voran

Die Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 oder das Hochwasser in der Alpenregion 2024 machen deutlich: Städte und Gemeinden müssen sich verstärkt auf Extremwetterereignisse gefasst machen. Welche Herausforderungen mit dem Wiederaufbau einhergehen, aber auch welche Chancen für Klimaschutz und -anpassung entstehen können und wie wichtig der Austausch innerhalb sowie außerhalb der Kommune sein kann, zeigt das Klima-Bündnis Mitglied die Verbandsgemeinde Altenahr.

Zerstörte Existenzen, Gebäude und Infrastruktur – die Verbandsgemeinde Altenahr im Kreis Ahrweiler hatte 2021 nach der Flutkatastrophe massive Schäden zu beklagen. Seit nunmehr drei Jahren treibt die Gemeinde engagiert ihre Wiederaufbaubemühungen voran. Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenahr, Dominik Gieler, kommentiert: „Zunächst liegt unser Fokus auf der Wiederherstellung der zerstörten Infrastruktur und daraus folgend auch auf dem zukünftigen Umgang mit der Ahr und den entsprechenden Nebengewässern, um bei Starkregenereignissen nicht erneut derart hohe Schäden beklagen zu müssen.“ Denn durch seine gebirgige Lage im Westen Deutschlands ist das gesamte Ahrtal besonders gefährdet bei zukünftigen Starkregenereignissen. „Zu den Aufbauarbeiten gehört natürlich auch der Hochwasserschutz und gerade der wird noch Jahrzehnte brauchen, um den Menschen die Sicherheit und den Schutz geben zu können, den sie für ihr weiteres Lebens im Ahrtal brauchen“, ergänzt Jutta Pürling, Ratsmitglied der Fraktion B90/DIE GRÜNEN.

Wiederaufbaubemühungen treffen auf Klimaschutz und Klimaanpassung

Um den Wiederaufbau möglichst nachhaltig zu gestalten, versucht die Verwaltung der Verbandsgemeinde über viele Wege Klimaschutz und Klimaanpassung mit den Aufbaubemühungen zu verknüpfen. Unterstützung erhielt die Gemeinde beispielsweise zuletzt über das BMBF-Projekt KAHR, das eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Flutkatastrophe ermöglichte und den resilienten Wiederaufbau in flutbetroffenen Gebieten förderte. Hierbei standen unter anderem auch konkrete Maßnahmen wie die Überarbeitung der Hochwassergefahrenkarten und die Weiterentwicklung von Hochwasserkonzepten unter Einbeziehung betroffener Akteur*innen im Vordergrund. Dominik Gieler ergänzt weiter: „Als Verbandsgemeinde sind wir zuständig für die Gewässer 3. Ordnung. Hier haben wir eine Gewässerschau vorgenommen und überprüft, wie wir einen Rückhalt und eine Optimierung in der Fläche ermöglichen können.“ Aber nicht nur im Bereich der Klimaanpassung ist die Gemeinde aktiv. Die Zerstörung zahlreicher Gebäude und damit deren Ölzentralheizungen begriff Altenahr auch als Chance. Mit einem passiven, kalten Nahwärmenetz in zwei besonders schwer getroffenen Ortsgemeinden gehen diese mit der Verbandsgemeinde neue Wege. Dadurch kann in den ausgewählten Arealen auf Öl und Gas verzichtet und somit ein konkreter Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen geleistet werden. Das neue Nahwärmenetz hat auch das Potenzial, die politischen Ziele der Wärmewende zu erreichen und sorgt für eine deutliche Reduzierung der Gefahr von Umweltverschmutzungen durch austretendes Öl bei Überschwemmungsereignissen.

Herausforderungen bewältigen – Bürger*innen einbinden

Diese positiven Beispiele auf der Reise des Wiederaufbaus in Altenahr werden aber auch begleitet von Herausforderungen – für die Gemeindeverwaltung aber auch die Bürger*innen. Die Bedürfnisse der Aufbauarbeiten treffen dabei auf andere politische Probleme, wie den Fachkräftemangel oder bürokratische Hürden. „Die Probleme sind sehr vielseitig und beginnen bei der Suche nach geeigneten Ingenieurbüros und gehen weiter über erforderliche Genehmigungsverfahren, hier möchte ich nur die über 90 Bauleitplanverfahren innerhalb der Verbandsgemeinde Altenahr erwähnen. Ein weiteres Problem sind die vielen Abstimmungsprozesse. Aufgrund der Vielzahl von diversen Projekten verbringen wir viel Zeit damit, die entsprechenden Projekt- und Prozessbeteiligten einzubinden und möglichst alle auf einem Wissensstand zu halten“, kommentiert Dominik Gieler.  

Eine andere Herausforderung ist auch die Einbindung der Bürger*innen. Das Erlebte führt bei Vielen zu großen Ängsten und der langwierige Aufbau der Verbandsgemeinde zu Ernüchterung. Für viele Bürger*innen sind Themen wie Klimaschutz und Klimaanpassung daher oft zweitrangig. „Die Erfordernis, CO2 einzusparen wo es nur möglich ist, wird nicht überall als Priorität angesehen. Die Entsiegelung von Flächen findet noch zu wenig Beachtung und leider passiert oft das genaue Gegenteil: z. B. werden manche Häuser im Wiederaufbau nach heutigem Standard größer aufgebaut als sie im Ursprung waren. Zudem wurden die Chancen auf zukunftsweisende Wärmepumpen nicht überall genutzt“, beklagt Jutta Pürling. Hier möchte der seit Kurzem ins Leben gerufene Klimastammtisch Ahr ansetzen und versuchen zu sensibilisieren. Das niedrigschwellige Angebot soll die Themen Klimaschutz und Klimaanpassung parteiübergreifend bei den Bürger*innen in den Fokus rücken. Zu den ersten geplanten Aktionen zählen ein Balkon-PV Workshop, eine Fahrraddemo für klimafreundliche Mobilität und ein Vortrag zur Bereitstellung von CO2-reduzierter Wärmeversorgung

„Ein weiteres Ziel ist es, die Jugend zu sensibilisieren und zum Mitmachen zu gewinnen, denn ihre Zukunft steht auf dem Spiel“, erklärt Jutta Pürling, Initiatorin des Klimastammtisches. Dazu soll es Angebote wie Kleiderflohmärkte, Upcycling-Workshops oder eine Veranstaltung zur CO2-armen Ernährung geben. „Aber vor allem möchten wir Mut machen und einen Raum bieten, wo Bürger*innen mit ihren Sorgen und Ängsten nicht alleine sind, und Möglichkeiten aufzeigen, selbst etwas gegen die Klimakrise zu tun und damit die Selbstwirksamkeit stärken“, fasst Jutta Pürling zusammen.

Austausch mit anderen Kommunen gesucht!

Doch Altenahr stoppt nicht an der eigenen Gemeindegrenze, sondern wünscht auch den aktiven Austausch mit anderen von Flutereignissen betroffenen Kommunen. Ziel ist es, voneinander zu lernen, Erfahrungen – positiv und negativ – auszutauschen, Praxisbeispiele kennenzulernen und die gemeinsame Entwicklung praxisorientierter Lösungsansätze. „Man muss das Rad in den meisten Fällen nicht immer neu erfinden und kann sich gerne auch mal etwas bei den Nachbarn oder anderen Kommunen abschauen“, sagt Dominik Gieler.

Die Verbandsgemeinde Altenahr zeigt eindrücklich, wie wichtig es beim Wiederaufbau ist, nicht nur die unmittelbar notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, sondern nachhaltig und zukunftsorientiert zu denken. Eine große Rolle spielt auch die aktive Einbindung der Bürger*innen, ihre Sorgen und Ängste wahrzunehmen und durch informative Angebote für Klimaschutz und Klimaanpassung zu gewinnen und im Austausch zu bleiben.

Ist Ihre Kommune an einem Austausch mit Altenahr und weiteren betroffenen Kommunen interessiert? Dann kontaktieren Sie Thomas Brose unter t.brose(at)klimabuendnis.org!

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Geschrieben im Juli 2024