Hitzeanpassung: Wie geht Abkühlung im urbanen Raum?
Drei europäische Städte wappnen sich gegen die Hitze
2023 war das heißeste Jahr seit Aufzeichnungen, der April startete in Zentraleuropa mit frühsommerlichen Spitzenwerten – Hitze wird zu einem immer größeren Problem, insbesondere in Städten und dicht besiedelten Räumen. Im Klima-Bündnis Projekt Ready4Heat zeigen drei Städte aus Österreich, Slowenien und Ungarn, mit welchen Maßnahmen sie sich gegen zukünftige Hitzewellen wappnen.
Die Städte Hajdúböszörmény (HU), Maribor (SL) und Weiz (AT) arbeiten in engem Austausch mit der Stadt Worms (DE). Die deutsche Vorreiterstadt hat bereits vor zwei Jahren einen Hitzeaktionsplan entwickelt und darauf aufbauend konkrete Hilfsstrukturen, wie Schulungen zum gesundheitlichen Hitzeschutz oder die Einführung eines Hitzetelefons, in die Praxis umgesetzt. In allen Städten lag der Entwicklung konkreter Hilfsmaßnahmen eine umfassende Einbindung vulnerabler Bevölkerungsgruppen und relevanter städtischer Akteur*innen zugrunde – getreu dem Leitbild „Klimawandelanpassung ist Gemeinschaftsaufgabe“. Konkret bedeutet das, dass alle Städte zu Beginn umfassende Stakeholder-Workshops mit vulnerablen Gruppen umgesetzt haben. Im Fokus standen bspw. chronisch kranke oder ältere Menschen, Schwangere und Pädagog*innen, die mit Kleinkindern arbeiten, oder Arbeiter*innen, die vorrangig im Freien tätig sind. Einer der Schwerpunkte der Workshops war die Erfassung der Bedürfnisse dieser Zielgruppen in Sachen Hitzeschutz. Sie forderten unter anderem mehr Grün- und Schattenflächen, weniger asphaltierte Flächen, hitzegeschützte Gebäude, mehr Wasserspender oder auch angepasste Arbeitszeiten an Hitzetagen und mehr Informationen zum Thema gesundheitlicher Hitzeschutz. Darauf aufbauend wurden die Pilotmaßnahmen in Hajdúböszörmény, Maribor und Weiz ausgearbeitet.
Grüne Stadtinseln für Hajdúböszörmény
Die ungarische Stadt beheimatet rund 30.000 Menschen und liegt in einem landwirtschaftlich genutzten Gebiet ohne Wälder und größere Wasserflächen. Die Sommer sind heiß und trocken, damit ist die Stadt ein regelrechter Hitzehotspot. Neben bereits etablierten Maßnahmen, wie Veranstaltungen zur Sensibilisierung von Bürger*innen und Energieeffizienzmaßnahmen, fokussiert sich die Stadtverwaltung in ihrer Pilotmaßnahme derzeit auf die Installation von grünen Stadtinseln an öffentlichen Orten. Konkret kann man sich unter den Stadtinseln rechteckige Holzcontainer (ca. 4 m²) vorstellen, in denen krautige und holzige Pflanzen mit sorgfältig ausgewählter Artenzusammensetzung gepflanzt werden. Pergolas spenden zusätzlich Schatten und Sitzmöbel ermöglichen den Menschen einen Moment der Abkühlung und Entspannung. Insgesamt sollen bis Mai 47 grüne Inseln an 23 Orten entstehen, wie bspw. auf öffentlichen Plätzen, an Bushaltestellen oder Freizeitanlagen. „Um die Auswirkungen der Inseln zu messen, werden wir im Sommer mit digitalen Thermometern die Lufttemperatur im Einflussbereich der grünen Inseln und außerhalb messen. Städtische Angestellte, Freiwillige und Mitarbeiter*innen der Einrichtungen, wo wir die grünen Inseln platzieren, werden uns dabei unterstützen", sagt Teleki Maria von der Stadt Hajdúböszörmény. Eine der größten Herausforderungen wird die ständige Pflege und Bewässerung der grünen Inseln sein. „Während der sommerlichen Hitzewellen ist eine stärkere Bewässerung erforderlich, bis die grünen Inseln gut etabliert sind. Auch hier werden uns Freiwillige und institutionelle Mitarbeiter*innen unterstützen. Die Pflege der Inseln ist aber auch Bestandteil der offenen Ausschreibungen der Stadt", so Teleki Maria abschließend.
Maribor arbeitet mit naturbasierten Lösungen
Maribor kämpft mit dem Hitzeinseleffekt und setzt in seinem Umweltschutzprogramm sowie dem lokalen Energie- und Klimaschutzkonzept auf grüne und naturbasierte Lösungen. Konkret geht es dabei um den Einsatz von Bäumen und biodivers begrünten Pergolas. Diese sollen beispielsweise auf Spielplätzen installiert werden, um Klein- und Schulkinder vor Hitze zu schützen. Eine biodiverse Pergola besteht aus wenigen Strukturelementen aus Holz und bietet einen maximalen mikroklimatischen Effekt. Die Auswahl der Pflanzen erfolgt unter Berücksichtigung der Sicherheitsanforderungen für Kinder, der klimatischen Auswirkungen und der Artenvielfalt.
Klimafitte Gebäude in Weiz
Die Kleinstadt Weiz (11,756 Einwohner*innen) im östlichen Alpenvorland setzt auf die Idee einer nachhaltigen solarbetriebenen Kühlungslösung, um Gebäude gegen Überhitzung zu wappnen. Um die Machbarkeit dieser Idee zu testen, wird der Lösungsansatz zunächst in einem Demonstrationsprojekt (Einrichtung für betreutes Wohnen für ältere Menschen) getestet. Der Testlauf wird genau engmaschig kontrolliert, um die Effektivität des Systems mit konventionellen Kühlsystemen wie Ventilatoren oder Lüftern, passiven Kühloptionen, konventionellen mobilen Kühlschränken, Split-Kühlgeräten oder Gebäudebegrünung zu vergleichen. „Sollte sich unsere Lösung als praktikabel und vorteilhaft erweisen, könnte das Kühlsystem auch in anderen Einrichtungen, wie z. B. in betreuten Wohneinrichtungen im sozialen Bereich oder in Kindergärten und Schulen, eingesetzt werden", so Dominik Puchner von der Stadtgemeinde Weiz. Schon seit Längerem legt die Stadt einen Fokus auf energiebezogene Themen, um die Öffentlichkeit für Themen wie Energieeffizienz, nachhaltige Energiequellen und Energieverbrauch zu sensibilisieren. In ihrer Rolle als Baubehörde nimmt die Stadt durch Klimaschutzrichtlinien auch direkt Einfluss auf Sanierungs- und Neubauprojekte und den Schutz gegen Hitze. Ferner unterstützt die Verwaltung die Umsetzung mit Mitteln aus dem kommunalen Ökoförderungsprogramm, wodurch die breite Anwendung der erprobten Wärme- und Gesundheitsmaßnahmen in der Stadt gefördert wird.
Hitzeschutz geht uns alle an und die Beispiele dreier europäischer Städte machen deutlich, es gibt sie – niedrigschwellige und wirksame Lösungen. Das Klima-Bündnis begleitete bereits Worms bei der Entwicklung eines der ersten städtischen Hitzeaktionsplans und steht auch jetzt an der Seite von Hajdúböszörmény, Maribor und Weiz und unterstützt die Verbreitung von Lösungen und konkreten Praxisideen, um Städte resilienter zu gestalten und besser auf zukünftige Hitzeperioden vorbereiten zu können. Zuletzt hat das Klima-Bündnis im Rahmen des Ready4Heat-Projekts zudem einen Leitfaden veröffentlicht, der Städten und Gemeinden, die noch am Anfang stehen, aufzeigt, wie man einen Aktionsplan für Hitze und Gesundheit entwickeln kann.
Lesen Sie mehr
- Ready4Heat Projekt
- Ready4Heat-Leitfaden: Wie man einen Aktionsplan für Hitze und Gesundheit entwickelt
- Feature „Worms (DE) setzt auf Partizipation, Information und konkrete Hilfsangebote“ (Juni 2022)
Geschrieben im April 2024