Energiearmut – welche Rolle spielen Städte und Gemeinden?
34 Millionen Europäer*innen leben in Energiearmut1. Das Thema rückt derzeit immer stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit – ob auf EU-Ebene, in lokalen Klimaschutzstrategien oder auch im Klima-Bündnis. Doch was genau ist Energiearmut und was können Städte und Gemeinden in Europa dagegen tun?
Der Konvent der Bürgermeister definiert Energiearmut als Zustand, in dem Haushalte sich grundlegende Energiedienstleistungen wie Heizung, Kühlung, Licht, Mobilität und Strom nicht leisten können aufgrund eines geringen Einkommens, hohen Energiekosten oder niedrigen Energiestandards der Gebäude. Diese Definition verdeutlicht, dass der Kampf gegen Energiearmut eine Querschnittsaufgabe ist und unterschiedliche politische Felder betrifft, unter anderem die Klima- und Umweltpolitik.
Die Situation in Sachen Energiearmut weist lokal große Unterschiede auf. Auch die Maßnahmen zur Linderung von Energiearmut müssen in Bezug zu lokalen Bedingungen, wie Klima, Wohnqualität, Wirtschaft und die Struktur der Energiekosten stehen. Doch das Problem selbst ist weiter verbreitet, als man zunächst denkt, und erfordert damit auch Anstrengungen aller europäischer Akteur*innen.
Auch Städte und Gemeinden in Zentraleuropa sind mit dem Thema konfrontiert. So sind z. B. in Deutschland die Energiekosten in den letzten Jahren stärker angestiegen als die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten. Diese Entwicklung trifft insbesondere armutsgefährdete Haushalte, da sie einen Großteil ihres Einkommens für den Konsum von Energie ausgeben müssen. Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden sind ein Teil der Antwort, insbesondere im privaten Mietsektor, der ein großes Potenzial zur Effizienzsteigerung aufweist. Ein erster wissenschaftlicher Bericht, ermöglicht durch das Klima-Bündnis-Projekt ENPOR, sind erfasste nun die Gründe für die Situation im privaten Mietsektor: Informationsmangel, negative Wahrnehmung von Energieeffizienz und Zeitmangel.
Doch was können Kommunen tun, um diese Problemfelder und letztlich Energiearmut als solches anzugehen?
Neben politischen Maßnahmen, wie z. B. der Regulation von Energiekosten, gibt es zahlreiche weitere Möglichkeiten für Kommunen, im Rahmen ihrer lokalen Klimaschutzmaßnahmen aktiv zu werden – sei es über Finanzierungslösungen, Verbesserung der Energieeffizienz in Wohngebäuden, Energieberatung oder die Steigerung der Aufmerksamkeit für Klima- und Energiethemen. Das Klima-Bündnis bietet seinen Mitgliedskommunen auch in diesem Bereich Unterstützung an durch eine Reihe von Projekten – für und mit seinen Mitgliedern aus ganz Europa.
Das Klima-Bündnis-Mitglied Brest Métropole (FR) konnte in den letzten Jahren verstärkt Einwohner*innen aus unterschiedlichen Nachbarschaften motivieren, sich mit ihrem Energieverbrauch auseinanderzusetzen. Die Stadt bot individuelle Beratungstermine in Wohnungen an und stellte Informationen über energiesparendes Verhalten zur Verfügung. Derzeit entwickelt Brest Métropole gemeinsam mit der örtlichen Energieagentur eine zentrale Anlaufstelle für die Bekämpfung von Energiearmut. Auch in Deutschland finden sich Beispiele für ein erfolgreiches Energieberatungskonzept. Mit dem in Frankfurt entwickelten Stromspar-Check werden kostenlose Energiesparberatungen für Empfänger*innen von Sozialleistungen angeboten. Kommunen können durch die hohen Energieeffizienzstandards der im Rahmen des Programms eingebauten Neugeräte finanzielle Ressourcen durch Einsparungen bei den Kosten für Wasser und Heizung sparen. Energiegemeinschaften stellen eine weitere Möglichkeit dar, Energiearmut entgegenzuwirken. Der inklusive Finanzierungsansatz sieht vor, Konsumierende zu Miteigentümer*innen von erneuerbaren Energien zu machen, und wird derzeit in einigen europäischen Pilotregionen getestet.
Die Verbesserung der Energieeffizienz ist ebenso ein wichtiger Pfeiler im Kampf gegen Energiearmut. Hierbei stehen die Gebäude selbst als Energieverbraucher im Fokus. Gebäude müssen effizienter gebaut und vor allem saniert werden. Der aktuelle Gebäudebestand in Europa weist dabei große Lücken auf. Es besteht also Handlungsbedarf auf allen Ebenen. Um seinen Mitgliedern Orientierung in diesem Themenkomplex zu geben, bietet das Klima-Bündnis in den nächsten Monaten einige Angebote rund um Energiearmut, Energieeffizienz und Gebäude an. Eine Gebäude-Eventreihe im Sommer gibt Mitgliedskommunen die Chance, sich verstärkt mit den Aspekten Energiespeicherung, Kampagnen zur Aufmerksamkeitssteigerung und tiefgreifenden Sanierungen auseinanderzusetzen. Die Reihe endet mit einem Workshop zu Energiearmut im Rahmen der Internationalen Jahreskonferenz des Klima-Bündnis vom 8. – 10. September 2021. Alle Veranstaltungen bieten Möglichkeiten des Austauschs, um Fragen und Anregungen interessierter Mitglieder mit anderen Kommunalvertreter*innen und Expert*innen diskutieren zu können. Mit einer aktuellen Umfrage erfasst das Klima-Bündnis zudem die Bedürfnisse seiner Mitgliedskommunen in Bezug auf Gebäude im lokalen Klimaschutz. Ziel ist es, auf Basis der Ergebnisse eine Arbeitsgruppe Gebäude ins Leben zu rufen, die sich unter anderem mit dem Thema Energiearmut und begleitenden Aspekten befassen wird.
Das Klima-Bündnis steht also in den Startlöchern. Das Thema Energiearmut und verknüpfte Aspekte, insbesondere im Gebäudebereich, werden in den nächsten Jahren feste Bestandteile der Netzwerkarbeit sein. Mit der Koordination der europäischen Beratungsstelle für Energiearmut (EPAH), einer EU-Initiative, die darauf abzielt, Energiearmut zu bekämpfen und die faire Energiewende in Europa zu beschleunigen, hat das Klima-Bündnis kürzlich eine zentrale Verantwortung übernommen, um die Thematik auch auf EU-Ebene weiter voranzutreiben.
Die unterschiedlichen Lösungsansätze und Bereiche, die durch Energiearmut betroffen sind, machen deutlich: Das Problem erfordert interdisziplinäres Denken. Zusammenarbeit ist der Schlüssel – innerhalb einer Kommune sowie mit externen Partner*innen. Alle beteiligten Parteien müssen voneinander lernen und miteinander agieren, um den Kampf gegen Energiearmut voranzutreiben. Denn nur so können wir einen gerechten Transformationsprozess ermöglichen und die Ziele des Europäischen Green Deals bis 2050 erreichen.
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1Empfehlungen der Kommission (EU) 2020/1563 vom 14 Oktober 2020 zu Energiearmut
geschrieben Juni 2021