Wieder ein Jahr des Feuers – Amazonien brennt

Es brennt. In Sibirien, an der Westküste Nordamerikas, rund um das Mittelmeer, in Amazonien – rund um den Globus brennen die Wälder. Die Brände werden begünstigt durch noch nie dagewesene Hitzewellen: fast 50° C im Westen Kanadas und am Mittelmeer, über 30° C in Sibirien. Die Klimakrise wird zur Feuerkrise – und verstärkt sich selbst.

Die aktuelle Lage in Amazonien
Werfen wir einen Blick nach Amazonien: Am 3. August 2021 brannten 267 größere Feuer auf über 1.000 km2, drei Viertel davon in Brasilien.1 Am 6. August 2021 veröffentlichte die brasilianische Weltraum-Agentur INPE2, dass in 2021 bereits rund 8.700 km2 Regenwald entwaldet wurden. Die brasilianische Forschungseinrichtung Imazon meldete am 19. August, dass von August 2020 bis Ende Juli 2021 10.476 km2 Regenwald zerstört wurden, deutlich mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres3. Damit werden die drei Regierungsjahre von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro die drei Jahre mit der höchsten Entwaldung seit 2008. Entwaldung, Degradation und Brände verstärken sich gegenseitig: Das Restholz auf gerodeten und degradierten Flächen brennt wie Zunder, die Böden trocknen schneller aus, weil die geschlossene Walddecke, die vorher die Feuchtigkeit im Wald hielt und die Böden vor direkter Sonneneinstrahlung und Wind schützte, Löcher hat oder ganz weg ist.

„Nature“-Studie: Von der Senke zur Quelle
Am 14. Juli 2021 kommt Luciana Gatti, Forscherin am INPE, in einer vielbeachteten Studie in „Nature“ 4 zu dem Schluss, dass der Südosten Amazoniens von einer Senke zu einer Quelle von Treibhausgasen mutiert ist. Mit einem kleinen Flugzeug flogen sie und ihr Team neun Jahre lang immer wieder in verschiedenen Höhen über die gleichen Messpunkte im Südosten, Südwesten, Nordosten und Nordwesten des brasilianischen Amazonasgebietes. So konnten sie in den Luftsäulen über diesen Punkten den Gehalt von Kohlendioxid und Kohlenmonoxid messen. Ihr Fazit ist klar: Der Südosten Amazoniens hat sich von einer Senke zu einer Quelle von Treibhausgasen entwickelt und zwar aufgrund von Bränden. Ohne die Brände würde Amazonien eine Kohlenstoffsenke bleiben.

Weitere Studien: Vom Regenwald zur Savanne?
Gattis Studie bestätigt frühere Warnungen von Wissenschaftlern vor dem Zusammenspiel von Klimakrise und Entwaldung: Die renommierten Forscher Lovejoy und Nobre prognostizierten 2019, dass in 10 bis 15 Jahren aus dem südlichen Amazonien eine Savanne wird.5 P.M. Brando et.al sprachen im Januar 2020 vom “aufziehenden Feuersturm im südlichen Amazonasgebiet”. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass die prognostizierten klimatischen Veränderungen zu einer Verdoppelung der durch Waldbrände verbrannten Fläche führen werden, die bis 2050 bis zu 16 % der Wälder der Region betreffen wird.6

IPCC: Die Brandwetterlagen nehmen zu

Der Weltklimarat IPCC warnt in seinem jüngsten Bericht vom 9. August 2021 eindringlich vor einer weiteren Zunahme von „Brandwetter” in Amazonien7: Die Temperaturen werden um 0,2 – 0,3° C pro Jahrzehnt steigen, die Trockenperioden sind bereits jetzt länger und ihre Länge und geographische Ausdehnung werden zunehmen, die Wahrscheinlichkeit extremer Dürren verdoppelt sich. Die Niederschläge nehmen ab, ebenso die Bodenfeuchte. Ungewöhnliche feuchte und trockene Perioden nehmen zu, und entsprechend stärker wird die Wasserführung der Flüsse saisonal schwanken. Während der Westen Amazoniens feucht bleiben wird, nehmen vor allem im Osten und Süden die Zahl der heißen und trockenen „Brandwetterlagen” zu. Der IPCC schreibt: “Die Kombination aus Abholzung, Trockenheit und vermehrten Bränden kann das Ökosystem des Regenwaldes über einen Kipppunkt hinausschieben, bei dem es zu einer raschen Degradation der Landoberfläche, einer starken Verringerung des Wasserkreislaufs aus Verdunstung und Niederschlag, stärkerem Abfluss der Niederschläge und einer weiteren Verschiebung hin zu einem trockeneren Klima kommt.”8  
Damit schließt sich der Teufelskreis des Feuers: Brände erhöhen die Emissionen, diese treiben die Klimakrise weiter an, die wiederum für steigende Temperaturen und mehr Trockenheit sorgt – und damit für mehr Brände.

COICA: Eine humanitäre Notlage
Man darf den Blick aber nicht allein auf die Kohlenstoffzyklen und ihre Klimarelevanz verengen. Das Drama hat viele Facetten. In Bränden kommen Menschen um, werden verletzt oder verlieren ihr Hab und Gut, Tiere verenden elendig, Pflanzen verdorren oder gehen in Flammen auf. Biomasse, Artenvielfalt, Emissionen und Menschenrechte – alles hängt zusammen. Im August 2019 veröffentlichte die COICA, der Dachverband der indigenen Organisationen im Amazonasbecken und Partner des Klima-Bündnis, einen „Offenen Brief der indigenen Völker zur ökologischen und humanitären Notlage” angesichts der Waldbrände in Brasilien und Bolivien.9 Die COICA sieht ihre Warnungen durch den Bericht des Weltklimarats bestätigt.
 
Klima-Bündnis: Für den Schutz indigener Territorien

Doch es geht auch anders. In unter Naturschutz stehenden Regionen und vor allem in Territorien von indigenen Völkern geht es dem Regenwald am besten. Dies belegt eine Reihe aktueller Studien, die bereits in einem früheren Klima-Bündnis-Artikel diskutiert wurden.10  Und durch die Vermeidung neuer Rodungen lassen sich die Gesamtemissionen von Bränden reduzieren und ein Übergreifen der Brände auf Schutzgebiete und indigenes Land verhindern. Handelsverträge wie das Mercosur-Abkommen führen zu weiteren Rodungen – gegen genau solche Verträge und für den Schutz indigener Territorien sowie die Rechte ihrer Bewohner*innen engagieren sich das Klima-Bündnis und seine Mitglieder.

Erstellt von Dietmar Mirkes, ehemaliger Nationalkoordinator Klima-Bündnis Luxemburg


Quellen:

  1. Finer M., Costa H., Villa L. (2021): Amazon Fire Tracker 2021: August Update. MAAP 2021, #3. URL: https://maaproject.org/2021/amazon_fires-august/ (Zugriff am 4.10.2021).
  2. Vargas A.P. (12. August 2021): Fires Rage Over the Amazon and the Entire World. But There Is Still Time to Act! URL: https://amazonwatch.org/news/2021/0812-fires-rage-over-the-amazon-and-the-entire-world-but-there-is-still-time-to-act (Zugriff am 4.10.2021)
  3. Imazon.org (19. August 2021): Deforestation in the Brazilian Amazon reaches 2,095 km² in July, and the last 12 months cumulative is the highest in 10 years. URL: https://imazon.org.br/en/imprensa/deforestation-in-the-brazilian-amazon-reached-2-095-km%C2%B2-in-july-and-the-last-12-months-cumulative-is-the-highest-in-10-years/ (Zugriff am 4.10.2021)
  4. Gatti L.V., Basso L.S., Miller J.B. et al. (2021): Amazonia as a carbon source linked to deforestation and climate change. Nature 595, 388–393. URL: https://doi.org/10.1038/s41586-021-03629-6 (Zugriff am 4.10.2021)
  5. Lovejoy, T., Nobre, C. (20. Dezember 2019): Amazon tipping point: Last chance for action. Science Advances, 5(12), eaba 2949. URL: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.aba2949 (Zugriff am 4.10.2021)
  6. Brando, P.M. et.al. (10. Januar 2020): The gathering firestorm in southern Amazonia, 6(2). URL: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.aay1632 (Zugriff am 4.10.2021)
  7. IPCC (August 2021): Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, [Masson-Delmotte, V., P. Zhai, A. Pirani, S.L. Connors, C. Péan, S. Berger, N. Caud, Y. Chen, L. Goldfarb, M.I. Gomis, M. Huang, K. Leitzell, E. Lonnoy, J.B.R. Matthews, T.K. Maycock, T. Waterfield, O. Yelekçi, R. Yu, and B. Zhou (eds.)]. Cambridge University Press. In Press.
  8. Ebenda.
  9. Klimabuendnis.org (2020): Brände in Amazonien. URL: www.klimabuendnis.org/indigene-partner/braende-in-amazonien.html (Zugriff am 4.10.2021)
  10. Klimabuendnis.org (2021): Indigene Territorien – wo der Regenwald am besten geschützt ist. URL: www.klimabuendnis.org/ueber-uns/klimaschutz/beispiele/indigene-territorien.html


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