Brände in Amazonien

Was steckt hinter den Flammen?

Seit  2018 kursieren zahlreiche Bilder und Artikel um die ganze Welt, die das Ausmaß der Brände im Amazonas-Regenwald belegen. An Hashtags wie #PrayforAmazon, #SavetheAmazon und #AmazonFires kommt man in den sozialen Netzwerken nicht mehr vorbei. Sogar auf die Agenda des G7-Gipfels 2018 und 2019 hat es das Thema geschafft. Das war Premiere, obwohl es eigentlich keine Neuheit, sondern ein sich seit  Jahrzehnten wiederholendes Phänomen ist. Was liegt also hinter der internationalen Aufmerksamkeit, die die Waldbrände weltweit  erlangen? Und welche Rolle spielt unser Konsumverhalten dabei?

Brandrodung in Amazonien – kein neues Phänomen

Amazonien, das Tiefland des wasserreichsten Flusses der Erde, erstreckt sich zu beiden Seiten des Äquators und beheimatet das größte zusammenhängende Regenwaldgebiet der Welt. Etwa 60 % des Waldes befinden sich auf brasilianischem Staatsgebiet, aber auch Peru, Bolivien, Kolumbien, Venezuela, Guyana, Suriname, Französisch Guyana und Ecuador beherbergen Teile der „Lunge der Erde“. Der Druck auf die Ökosysteme Amazoniens und die sowohl in als auch von den Regenwäldern lebende indigene Bevölkerung ist  seit der Industrialisierung stetig gewachsen, vor allem aber durch die wirtschaftliche Erschließung der Region in den 1960er-Jahren. Mitte der 1970er Jahre startet das brasilianische Militär, welches sich 1964 an die Macht geputscht hat und diese bis 1985 halten kann, die Kolonisierung  Amazoniens mit dem Bau der „Trans-Amazonica“-Straße. Bis heute wird vor allem entlang solcher Straßen gerodet.

Systematische Brandrodung großer Waldflächen

In den 1990er Jahren gibt es einen deutlichen Anstieg der Rodungen durch die Ausweitung der Rinderzucht und des Soja-Anbaus. Neben der Gewinnung landwirtschaftlicher Nutzflächen sorgen auch der Bau von Siedlungen und Straßen oder die Erschließung reicher Bodenschätze dafür, dass Amazoniens Regenwälder nach und nach zerstört werden, worunter hauptsächlich die indigene Bevölkerung leidet. Angaben zur Größe der jährlich abgeholzten Flächen schwanken zwar stets, die Tendenz ist jedoch eindeutig steigend.

Grund dafür ist insbesondere das Konsumverhalten der Gesellschaften Industrieländer. Fleisch, Agrartreibstoffe sowie Tropenholz zählen zu eben solchen Konsumgütern, für die wir durch unser Konsumverhalten Absatzmärkte schaffen und die Ausbeutung Amazoniens fördern.

Wer ist verantwortlich? Welche Rolle spielen wir?

Der derzeitige Präsident Jair Bolsonaro hat zweifelsohne einen großen Anteil am Ausmaß der Brände in Brasilien: Statt illegale Rodungen und Landnahmen zu bekämpfen, hat er eine weitgehende Amnestie verkündet. Erst unter internationalem Druck und nach der Ankündigung einiger EU-Staaten wie Frankreich und Irland, den Mercosur-Freihandelsvertrag nicht zu ratifizieren, hat er die Bekämpfung der aktuellen Feuerherde zugelassen. Allerdings ist 2020 wieder ein neues Rekordjahr in der Anzahl der Brände. Die indigene Bevölkerung wird seit seinem Amtsantritt immer wieder angefeindet und die Gewalt gegen sie hat zugenommen. Staatliche Institutionen zur Demarkierung indigener Gebiete wurden systematisch geschwächt. Die Leitung wichtiger Behörden wurde Lobbyisten der Großgrundbesitzer übertragen. Während einer Regierungssitzung im April 2020 empfahl der Umweltminister, den Medienfokus auf die Covid-19-Pandemie zu nutzen, um "das Rind durchzubringen", alle Regeln zu ändern und Normen zu vereinfachen, "ohne den Kongress", sondern mit exekutiven Befugnissen. Mit der Ratifizierung des Handelsabkommens werden der Regenwald und die indigene Bevölkerung weiterhin unter der Präsidentschaft Bolsonaros leiden.

Doch die Wälder brennen nicht nur in Brasilien, sondern auch auf peruanischem und bolivianischem Staatsgebiet. Wir müssen uns außerdem die Frage stellen, welche Rolle die im Globalen Norden lebende Bevölkerung bei diesen Entwicklungen spielt. Als zweitgrößter Absatzmarkt für aus Brasilien stammende Konsumgüter und Rohstoffe ist die Rolle der EU nämlich von großer Bedeutung. Unser Konsumverhalten ist nicht nur Auslöser der Situation in Amazonien - es fungiert darüber hinaus auch als  Brandbeschleuniger.

 

Die beim G7-Gipfel 2019 angebotenen 20 Millionen US-Dollar als Sofortmaßnahme für die Bekämpfung der Brände zeigt, dass die Industrieländer nicht länger einfach wegschauen können. Auch wenn die brasilianische Regierung das Geld nicht angenommen hat, wird der Zusammenhang mit dem Klimawandel überdeutlich.

Doch das eigentliche Problem ist nicht der Geldmangel! Vielmehr fehlt der politische Wille der aktuellen Regierungen von Ländern wie Brasilien und Bolivien, die Entwaldung entschieden anzugehen. Auf der anderen Seite stärkt unser Lebens- und Konsumstil diejenigen Kräfte, die von der Zerstörung der Wälder am meisten profitieren.

Was ist heute anders? Woher kommt die internationale Aufmerksamkeit?

  • Die Anzahl an gleichzeitig gelegten Feuern ist so groß wie selten. Zwischen Januar und Juli 2020 wurden 40.436 Feuer in Brasilien gezählt. Alle Feuer waren illegal und mehr als 453.000 Hektar Wald sind dabei abgebrannt.
  • Das Bewusstsein für die Zusammenhänge zwischen Regenwaldzerstörung und Klimawandel ist gewachsen.
  • Die Ankündigungen des brasilianischen Präsidenten Bolsonaro, sich für die Interessen der Großgrundbesitzer starkzumachen und seine oft geäußerte Ansicht, dass nur gerodete Flächen auch produktive Flächen sind sowie die permanente verbale Aggression gegenüber indigenen Völkern hat die Weltgemeinschaft für solche Entwicklungen sensibilisiert.
  • Die Feuer haben in diesem Jahr auch eine eindeutige politische Botschaft der landwirtschaftlichen Lobby: wir danken dem Präsidenten Bolsonaro, dass er sich für uns einsetzt und legen zum Ausdruck unseres Dankes so viele Feuer wie möglich, um zu zeigen, dass wir bereit sind, auf dem Land zu arbeiten. Viele Feuer sind in Absprache der Bauern untereinander am „Tag des Feuers“ zur gleichen Zeit gelegt worden.
  • Derzeit sind knapp 20 % des ursprünglichen Amazonasgebietes zerstört. Wissenschaftler gehen davon aus, dass bei 25 % zerstörter Fläche ein Kipppunkt erreicht ist, ab dem sich das regionale Klima derart stark ändert, dass sich der Regenwald langfristig in eine Steppe verwandelt. Damit würde er auch seine Klimaschutzfunktion verlieren.

Die COICA, die indigene Partnerorganisation des Klima-Bündnis im Amazonasgebiet, hat einen offenen Brief veröffentlicht, in dem ein „ökologischer und humanitärer“ Notstand erklärt wird. Darin heißt es unter anderem:

„Wir ersuchen und fordern die Einigkeit und Solidarität aller indigenen Völker von Abya Yala und der Welt, den Völkermord und Ökozid, unter dem die Völker in den Jahrtausende alten Gebieten der indigenen Völker des Amazonasbeckens leiden, zu bezeugen, zu verurteilen und zu beenden.“

Des Weiteren beklagen sie die Unfähigkeit und den mangelnden Willen des bolivianischen und brasilianischen Staates, die Bevölkerung – Landarbeiter*innen und Indigene – zu schützen und fordert von den UN und der Menschenrechtskommissarin sofortige Maßnahmen und Prävention sowie internationale Unterstützung und Solidarität mit den betroffenen Menschen.

Sie hat außerdem eine Kampagne ins Leben gerufen, um Gelder für die indigenen Gemeinden zu sammeln, die direkt von den Bränden betroffen sind.

Helfen Sie unseren Partner*innen in Amazonien!

Spenden unter dem Stichwort „Brände in Amazonien“ können auf folgendes Konto des Klima-Bündnis überwiesen werden:

  • GLS Gemeinschaftsbank eG
  • IBAN:  DE 73 4306 0967 8038 4090 01
  • BIC: GENODEM1GLS

Als gemeinnütziger Verein kann das Klima-Bündnis eine Spendenbescheinigung ausstellen. Für weitere Informationen kontaktieren Sie Thomas Brose: t.brose(at)klimabuendnis.org

Einstellung der EU-Handelsgespräche mit Brasilien fordern

Am 17. Juni 2019 forderten mehr als 340 zivilgesellschaftliche Organisationen die EU dazu auf, die laufenden Mercosur-Handelsgespräche einzustellen. Die Europäische Geschäftsstelle des Klima-Bündnis und das Klima-Bündnis Österreich haben den gemeinsamen Brief unterzeichnet. Das Dokument weist auf die sich verschlechternde Menschenrechts- und Umweltsituation in Brasilien hin und fordert die EU auf, Präsident Bolsonaro die unmissverständliche Botschaft zu übermitteln, dass sie ein Handelsabkommen unter den derzeitigen Bedingungen ablehnen wird. Als notwendige Voraussetzung für weitere Gespräche fordert es ein Ende der Menschenrechtsverletzungen und der weiteren Entwaldung sowie konkrete Klimaschutzverpflichtungen.

Am 08.10.2020 wurde in der jährlichen Mitgliederversammlung des Klima-Bündnis eine Resolution gegen das Mercosur-Abkommen ratifiziert. Das bedeutet, dass  alle 1853 Mitgliedskommunen ihre Regierungen unter Druck setzen, das Abkommen nicht zu unterzeichnen.

Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie Sie persönlich ein nachhaltigeres Konsumverhalten entwickeln können, schauen Sie auf unserer overdeveloped-Website vorbei.

Foto: Victor Moriyama / Greenpeace